WELTGo!
Journalismus neu erleben und produktiver werden
Ihr Assistent Journalismus neu erleben und produktiver werden
WELTGO! ENTDECKEN
  1. Home
  2. WELT am SONNTAG
  3. Empörte Anrufe im Ministerium - Deutsche in Krankenkassen benachteiligt

WELT am SONNTAG

Empörte Anrufe im Ministerium - Deutsche in Krankenkassen benachteiligt

Deutsche Versicherungen zahlen für Eltern von Ausländern in deren Heimat

Die Bevorzugung von Ausländern in den deutschen Krankenversicherungen entwickelt sich zum Politikum.

Das Gesundheitsministerium bekam in dieser Woche eine Welle der Empörung von Bürgern aus allen Teilen des Bundesgebietes über die Enthüllung zu spüren, dass Eltern von in Deutschland beschäftigten ausländischen Arbeitnehmern in ihrem Heimatland Türkei und auf dem Balkan beitragsfrei von der deutschen Familienmitversicherung aufgenommen werden und sich dort auf Kosten der Versicherung ambulant und stationär behandeln lassen können.

Bei Deutschen dagegen dürfen nur Ehegatten, Lebenspartner und Kinder beitragsfrei in die Familienversicherung aufgenommen werden.

Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion verlangt jetzt von der Bundesregierung volle Aufklärung. "Das regt die Leute auf. Wir wollen vom Bundesgesundheitsministerium als Erstes wissen, wie viele ausländische Eltern im vorigen Jahr davon profitiert haben und welche Gesamtsumme überwiesen wurde", sagte der Bundestagsabgeordnete Andreas Storm (CDU), Vorsitzender der CDU/CSU-Arbeitsgruppe "Gesundheit und soziale Sicherung", dieser Zeitung.

Auf Anfrage von WELT am SONNTAG erklärte eine Sprecherin des Gesundheitsministeriums: "Uns liegen keine aktuellen Zahlen vor - weder über bezugsberechtigte Personen noch über die Summe der geleisteten Zahlungen."

Das Ministerium lehnt aber eine Abschaffung der Ungleichbehandlung von Ausländern und Deutschen ab. "Wir sehen keinen Anlass, da tätig zu werden", sagte die Sprecherin.

Die CDU-Bundestagsabgeordnete Erika Steinbach hatte die rot-grüne Bundesregierung gefragt: Trifft es zu, dass in der Bundesrepublik Deutschland krankenversicherte ausländische Arbeitnehmer bestimmter Staaten damit auch die in ihrer Heimat lebenden Eltern mitversichert haben?

Anstoß für ihre Anfrage gab Professor Bert Rürup, dessen Kommission alle Sparpotenziale in den Sozialsystemen ausloten soll. Dabei hatte er auch die Familienversicherung infrage gestellt, in der in Deutschland 20 Millionen Familienangehörige kostenfrei mitversichert sind - ausgenommen Eltern.

Im Auftrag der Bundesregierung antwortete der Parlamentarische Staatssekretär Franz Thönnes (SPD) aus dem Bundesgesundheitsministerium, der just am Tage der Veröffentlichung überraschend als SPD-Landesvorsitzender in Schleswig-Holstein abgewählt worden war. Er bestätigte, dass Eltern in der Türkei, in Bosnien und Herzegowina, Serbien und Montenegro unter bestimmten Voraussetzungen Anspruch auf Leistungen aus deutschen Krankenversicherungen haben.

Anzeige

Die Fakten laut Thönnes:

Grundlage ist ein deutsch-türkisches Abkommen vom 30.4. 1964 für die Türken sowie ein deutsch-jugoslawisches Abkommen vom 12.10.1968 für die Bewohner in den vier genannten Balkan-Staaten. Der Kreis der anspruchberechtigten Familienangehörigen richtet sich nach den Rechtsvorschriften des Wohnsitzstaates der Familienangehörigen, also auch der Eltern.

WELT am SONNTAG hatte vorigen Sonntag über diese weithin unbekannte Tatsache berichtet. Die Vorzimmer-Sekretärin des Parlamentarischen Staatssekretärs Thönnes sagte dieser Zeitung: "Das hat ein großes Echo. Das haben wir hier auch gemerkt." Zu spüren bekam das beispielsweise auch die im Bereich "Migration" der SPD-Bundestagsfraktion tätige wissenschaftliche Mitarbeiterin Gerlinde P., die sich Fragen einer empörten Berliner Anruferin anhören musste, die den Sachverhalt nicht glauben konnte.

Die Sprecherin des Bundesgesundheitsministeriums sieht allerdings keinen Grund zur Aufregung über die beitragsfreie Mitversicherung der Eltern. "Als die Sozialabkommen in den sechziger Jahren geschlossen wurden, galt in der Türkei und auf dem Balkan halt noch ein anderer Familienbegriff", sagte sie. Daran werde nicht gerüttelt - auch nach rund vierzig Jahren nicht.

Mehr aus dem Web
Neues aus der Redaktion
Auch interessant