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Reaktionen auf Dschihad-Rede Gaddafis Schweiz-Bashing empört Uno und EU

Muammar al-Gaddafis Wutausbruch gegen die Schweiz hat weltweit Entrüstung ausgelöst. Zwar fürchtet kaum jemand, dass Muslime dem Aufruf zum Dschihad gegen die Alpenrepublik folgen könnten - doch Uno und EU stellen deutlich klar: So geht's nicht.
Reaktionen auf Dschihad-Rede: Gaddafis Schweiz-Bashing empört Uno und EU

Reaktionen auf Dschihad-Rede: Gaddafis Schweiz-Bashing empört Uno und EU

Foto: Sabri Elmhedwi/ dpa

Benghasi - Muammar al-Gaddafi einzuordnen, fällt schwer. Mal zeigt er sich als generöser afrikanischer Herrscher, mal bietet er sich dem Westen als seriöser Verhandlungspartner an, dann wieder nähert er sich den arabischen Staaten an - und zwischendurch dreht er plötzlich durch. So auch wieder geschehen am Donnerstag mit seinem Dschihad-Aufruf gegen die Schweiz.

Weltweit hat der öffentliche Wutausbruch empörte Reaktionen ausgelöst. Derartige Erklärungen eines Staatschefs seien "im Rahmen der internationalen Beziehungen inakzeptabel", sagte Uno-Generaldirektor Sergej Ordschonikidse am Freitag in Genf. Die Uno-Vertretung in Genf sei auch nach Gaddafis Aufruf zum Dschihad ausreichend durch Sicherheitskräfte geschützt, stellte er vorsorglich klar. "Unsere Sicherheitsdienste haben alle Macht, das Wissen und die Ausbildung, um jeden Versuch zu verhindern, den Sicherheitsbereich des Uno-Geländes zu verletzen."

Die meisten Eidgenossen reagierten dagegen gelassen. Die Präsidentin des Außenausschusses im Berner Parlament, Christa Markwalder, sprach sich in der Zeitung "Der Bund" dafür aus, nicht auf die Äußerungen zu reagieren. Die Schweizer Regierung lehnte eine Stellungnahme ab.

"Gaddafi darf den Dschihad gar nicht fordern"

Libyen

Der französische Außenamtssprecher Bernard Valero forderte, und die Schweiz müssten ihren Streit in Verhandlungen austragen. Die französische Regierung unterstütze die dahingehenden Bemühungen der Europäischen Union. Ein Sprecher der EU-Außenbeauftragten Catherine Ashton sagte in Brüssel, die Äußerungen Gaddafis - wenn sie so stimmten - kämen "zu einem ungünstigen Zeitpunkt", da Bern und Tripolis gerade dabei seien, ihre Differenzen beizulegen.

Der italienische Außenminister Franco Frattini hat zur Ruhe aufgerufen. Es sei weder im Interesse Europas noch im Interesse Italiens, wenn sich die Lage verschärfe. "Wir hoffen auf eine umgehende Lösung im Streit zwischen der Schweiz und Libyen", sagte Frattini der Internetzeitung "Affaritaliani.it", wie die Nachrichtenagentur Ansa berichtete. Italien gilt seit langem als enger Vertrauter Libyens.

Die arabische Welt reagierte überwiegend gelassen auf Gaddafis neuerliche Tirade - viele Menschen nehmen den selbsternannten Revolutionsführer ohnehin nicht ernst. "Gaddafi ist kein Scheich und darf den Dschihad gar nicht fordern", bekundete ein ägyptischer Scheich der Online-Ausgabe der "Neuen Zürcher Zeitung".

Dschihad-Aufruf am Feiertag

Gaddafi

hatte am Donnerstag im Zusammenhang mit dem Bauverbot für Minarette in der Schweiz zum Dschihad gegen die Alpenrepublik aufgerufen. "Der ungläubigen und abtrünnigen Schweiz, die die Häuser Allahs zerstört, muss der Dschihad erklärt werden", sagte er anlässlich eines Gedenktages für den Propheten Mohammed in der ostlibyschen Stadt Benghasi. Er reagierte damit auf ein Referendum, in dem die Schweizer Ende November für ein Bauverbot von Minaretten gestimmt hatten.

Dschihad bedeutet in der wörtlichen Übersetzung aus dem Arabischen "Anstrengung oder Kampf" im religiösen Sinne. Damit ist in erster Linie der Einsatz friedlicher Mittel gemeint. Unter dem sogenannten "kleinen Dschihad" wird allerdings im Allgemeinen ein "Heiliger Krieg" verstanden.

Islam

Gaddafi ging in seiner Tirade gegen die Schweiz noch weiter - und bemühte das Argumentationsmuster des sogenannten Takfir, das auch viele islamistische Aktivisten verwenden: Jeder Muslim, der mit der Schweiz Geschäfte mache, sei ein "Ungläubiger", der sich gegen den stelle, wetterte der libysche Revolutionsführer. Ein Dschihad gegen die Alpenrepublik sei deshalb kein Terrorismus. "Lasst uns kämpfen gegen die Schweiz, den Zionismus und ausländische Aggression", sagte er. Der Kampf gegen die Schweiz müsse "mit allen Mitteln" geführt werden.

"Die Schweiz zerschlagen"

Gaddafi gilt als unberechenbar und ist für exzentrisches Auftreten und ungestüme Wortwahl bekannt. Im September 2009 beschimpfte er die Uno-Vollversammlung und zerriss die Charta des Bündnisses. Beim Welternährungsgipfel in Rom im November orderte er 500 "niedliche" Italienerinnen, die ihm Gesellschaft leisten sollten. Es kamen Dutzende - die sich dann aber einen Vortrag über den Koran anhören mussten.

Das Verhältnis zwischen Libyen und der Schweiz gilt als zerrüttet, seit die Polizei in Genf 2008 Hannibal al-Gaddafi, einen Sohn des Staatschefs, wegen angeblicher Misshandlung von Hausangestellten vorübergehend festgenommen hatte.

Daraufhin hatte Libyen zwei Schweizer Geschäftsleute verhaftet. Im Gegenzug setzte die Schweiz 188 prominente Libyer auf die Liste unerwünschter Personen. Die diplomatischen Beziehungen zwischen beiden Ländern wurden daraufhin abgebrochen. Seit Montag erteilt Libyen keine Einreiseerlaubnis mehr für die Mitgliedstaaten des Schengen-Abkommens, auch bereits ausgestellte Visa sind unwirksam.

Im Juli 2009 hatte der libysche Staatschef beim G-8-Gipfel gesagt, die Schweiz müsse "zerschlagen und auf ihre Nachbarländer aufgeteilt werden". Sein Sohn Hannibal legte der britischen "Sunday Times" zufolge nach: "Wenn ich eine Atombombe hätte, würde ich die Schweiz von der Landkarte fegen." Auch vor der Uno hatte Gaddafi bereits die Auflösung der Schweiz gefordert.

ler/dpa/Reuters/AFP